Negationen: Häufung
Das Griechische hat die Eigenart, Negationen zu häufen, um sie zu verstärken.
Regel
Dabei gilt, dass
- aufeinander folgende zusammengesetzte Verneinungen die Verneinung verstärken,
Οὐκ ἦλθεν οὐδείς.
(Nicht einer kam =) Kein einziger kam.
- eine einfache Verneinung (also einfaches οὐ oder μή) die Verneinung aufhebt.
Οὐδεὶς οὐκ ἦλθεν.
(Keiner kam nicht =) Jeder kam.
Übersetzung
Für die Übersetzung bedeutet das, im Fall der Verstärkung wird nur die erste Verneinung übersetzt, die anderen mit dem positiven Gegenbegriff wiedergegeben. Also:
- οὐδαμοῦ mit irgendwo
- οὔτε … οὔτε mit entweder … oder
- οὐδέποτε mit jemals
- οὐδέν mit etwas
- usw.
Beispiele
1. Für Negationenhäufung mit οὐ
Sokrates über das Daimonion:
Νῦν δὲ οὐδαμοῦ περὶ ταύτην τὴν πρᾶξιν οὔτ᾽
ἐν ἔργῳ οὐδενὶ οὔτ᾽ ἐν λόγῳ ἠναντίωταί μοι.
Nun aber hat es sich mir nirgends im Zusammenhang mit dem Prozess entweder bei irgendeiner Handlung oder bei einer Rede widersetzt.
Οὐδεὶς εἰς οὐδὲν οὐδενὸς ἂν ἡμῶν οὐδέποτε γένοιτο ἄξιος.
Es wird keiner von uns in irgendeiner Sache auch nur irgend etwas jemals wert sein.
Οὐ πρέπον ἐν εὐνόμων πόλει γίγνεσθαι τοιοῦτον οὐδὲν οὐδαμῇ οὐδαμῶς.
Dergleichen darf nun aber in einem wohlgeordneten Staat schlechterdings nicht irgendwo in irgendeiner Weise jemals geduldet werden.
2. Für Negationenhäufung mit μή
Hippias auf der Suche nach dem καλόν:
Ζητεῖν γάρ μοι δοκεῖς τοιοῦτόν τι τὸ καλὸν ἀποκρίνασθαι, ὃ μηδέποτε αἰσχρὸν μηδαμοῦ μηδενὶ φανεῖται.
Du scheinst mir so etwas als Antwort auf die Frage nach dem Schönen zu suchen, das niemals irgendwo jemandem hässlich erscheint.
τιθῶμέν γε αὐτοὺς λέγειν πρῶτον μηδενὶ μηδὲν μηδεμίαν δύναμιν ἔχειν κοινωνίας εἰς μηδέν.
Setzen wir also zuerst den Fall sie sagten: Nichts habe irgend ein Vermögen mit irgend einem zu irgend etwas in Gemeinschaft zu treten.
Dies ist der „zweite Weg“ für Gesetzgeber:
τὸ παρὰ ταῦτα μήτε ἕνα μήτε πλῆθος μηδὲν μηδέποτε ἐᾶν δρᾶν μηδ᾽ ὁτιοῦν.
daß sie gegen diese weder die Menge irgend etwas jemals tun lassen noch einen Einzelnen.