Die Person des Sokrates

Sokrates-Louvre

Quellen

Über Sokrates ist nur wenig Verlässliches bekannt. Er selbst hat nichts Schriftliches hinterlassen. Alles, was wir über ihn wissen, stammt aus den Werken von:

Folgende Fakten können als gesichert gelten:

Leben

Laut Platon war Sokrates 399 v. Chr. 70 Jahre alt, woraus sich als Geburtsjahr das Jahr 469 v. Chr. ergibt. Er stammte aus dem athenischen Demos Alopeke der Phyle Antiochis und war Sohn des Steinmetzes oder Bildhauers Sophroniskos und der Hebamme Phainarete. er selbst soll auch als Bildhauer oder Steinmetz gearbeitet haben und sogar eine Statuengruppe angefertigt haben, die auf der Akropolis stand. Der Beruf scheint ihm bald unwichtig gewesen zu sein, da seine Schüler nichts darüber berichten.

Sokrates hat im Peloponnesischen Krieg (431–404 v. Chr.) als Hoplit (mit schwerer Bewaffnung) an der Belagerung von Potidaia (431–429 v. Chr.) sowie an den Schlachten von Delion (424 v. Chr.) und Amphipolis (422 v. Chr.) teilgenommen.

Er scheint im Feld keine geringen Leistungen vollbracht zu haben: Auf den Feldherr Laches und auf Alkibiades machte großen Eindruck, wie er Kälte, Hunger und sonstige Entbehrungen ertrug und wie er beim militärischen Rückzug bei Delion – statt wie andere kopflos zu flüchten – sich wachsam, mutig und besonnen verhielt, ein Vorbild für andere. Den verwundeten Alkibiades rettete er in Potidaia samt Waffen und sorgte wohl dafür, dass Alkibiades eine ihm selbst zustehende Tapferkeitsauszeichnung erhielt.

Sein Leben, soweit wir es kennen, spielte sich auf den öffentlichen Plätzen Athens ab, wo er sich mit den Menschen über ihr Wissen unterhielt.

Er wurde 399 v. Chr. in seinem siebzigsten Lebensjahr zum Tode durch den Schierlingsbecher (Schierling war ein damals für die Hinrichtung verwendetes Gift) verurteilt und hingerichtet, weil er angeblich verderblichen Einfluss auf die Jugend ausübte sowie die Götter missachtete.

Lehre

Sokrates war ein Kind seiner Zeit, der Sophistik. Der Begriff Sophistik meint erst einmal nichts Negatives (wie wir ihn heute zumeist abwertend verstehen), sondern ein Sophist war schon immer ein σοφὸς ἀνήρ, also ein weiser Mann. Bei den Vorsokratikern richtete sich der Forschungsdrang auf das Universum und die den Menschen umgebende Welt (➝ Vorsokratiker). Die Sophisten, und so auch Sokrates, kümmerten sich dagegen um den Menschen selbst.

Denn um die Mitte des 5. Jhdts gab es ein Wende im Denken — man nennt sie die anthropologische Wende. Ging es vorher hauptsächlich um τὰ μετέωρα, also um die Himmelserscheinungen, und sonstige Phänomene der Natur, so verlagerte sich das Augenmerk nun auf den Menschen (ἄνθρωπος). Sokrates stellte den Menschen und seine Tugend (ἀρετή) in den Mittelpunkt seines Fragens. Daher schreibt auch Cicero später, Sokrates habe die Philosophie vom Himmel auf die Erde herabgeholt und sie in den Häusern der Menschen heimisch gemacht. Er weist damit auf die Veränderung des Fragens hin.

Sokrates’ Anliegen war es, das (tatsächliche bzw. oft nur eingebildete) Wissen seiner Zeitgenossen zu prüfen. Er stellte immer Fragen vom Typ Τί ἐστιν …; (Was ist …?). Seine Fragen betrafen gern die sogenannten Tugenden (ἀρεταί), z. B. die vier Kardinaltugenden, und richteten sich meist an besonders prominente Vertreter der Tugend. So wird der Priester Euthyphron über die Frömmigkeit befragt, die hochdekorierten Feldherren Nikias und Laches über die Tapferkeit usw.

Gemäß dem Muster der Τί-ἐστιν-Frage sollen die Gesprächspartner definieren, was Weisheit, Tapferkeit, Besonnenheit, Gerechtigkeit, Frömigkeit, usw. sind. Das klappt natürlich nie, auch nicht in wiederholten Anläufen, so dass die Dialoge aporetisch (in Aporie, also in Ratlosigkeit, d. h. ohne Ergebnis) enden. Sokrates selbst suchte aber unermüdlich nach den Antworten, da er selbst keine Antwort hatte. Er war aber überzeugt, dass mit seiner Methode des sokratischen Dialogs (s. u. Elenchos) eine Antwort gefunden werden kann.

Geleitet wurde die Suche von Sokrates entscheidend von der Frage nach der Wahrheit. Diese Wahrheit ergibt sich nicht dadurch, dass mehrere Menschen übereinstimmen, sondern sie bedarf der Widerspruchsfreiheit gemäß der sokratischen Methode des Elenchos (ὁ ἔλεγχος, also die Prüfung im Dialog, in Frage und Antwort). Diese Methode wird auch Maieutik genannt, also Hebammenkunst, in Anspielung auf den Beruf seiner Mutter: Sokrates entbindet seine Gesprächspartner schöner Gedanken (s. Text Platon, Theaitetos 150a8ff).

Sokrates wird von Platon aber auch mit einem Zitterrochen (s. Text Platon, Menon 79e7ff) verglichen, weil die Leute im Gespräch mit ihm ebenso starr und erschreckt sind, wie das der Zitterrochen mit seinen Opfern tut, oder auch mit einem Satyr (s. Text Platon, Symposion 215 a4ff), der auch die Leute erschreckt. Mit der Satyrfigur hätte Sokrates außerdem schon rein äußerlich Ähnlichkeit.