Thukydides 2,37–41 Kernstelle des Logos epitaphios 14.01.15

Thukydides, Logos epitaphios

2,37: Demokratische Verfassung und persönliche Freiheit

Inhaltsübersicht 2,35–46
II
Griechischer Text nach Jones (Oxford)
Z.
Kommentar / Übersetzung

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Χρώμεθα γὰρ πολιτείᾳ οὐ ζηλούσῃ τοὺς τῶν πέλας
νόμους, παράδειγμα δὲ μᾶλλον αὐτοὶ ὄντες τισὶν ἢ μιμού-
μενοι ἑτέρους. Καὶ ὄνομα μὲν διὰ τὸ μὴ ἐς ὀλίγους ἀλλ᾽
ἐς πλείονας οἰκεῖν δημοκρατία κέκληται· μέτεστι δὲ κατὰ
μὲν τοὺς νόμους πρὸς τὰ ἴδια διάφορα πᾶσι τὸ ἴσον, κατὰ
δὲ τὴν ἀξίωσιν, ὡς ἕκαστος ἔν τῳ εὐδοκιμεῖ, οὐκ ἀπὸ μέρους
τὸ πλέον ἐς τὰ κοινὰ ἢ ἀπ᾽ ἀρετῆς προτιμᾶται, οὐδ᾽ αὖ
κατὰ πενίαν, ἔχων γέ τι ἀγαθὸν δρᾶσαι τὴν πόλιν, ἀξιώ-
ματος ἀφανείᾳ κεκώλυται. Ἐλευθέρως δὲ τά τε πρὸς τὸ
κοινὸν πολιτεύομεν καὶ ἐς τὴν πρὸς ἀλλήλους τῶν καθ᾽
ἡμέραν ἐπιτηδευμάτων ὑποψίαν, οὐ δι᾽ ὀργῆς τὸν πέλας, εἰ
καθ᾽ ἡδονήν τι δρᾷ, ἔχοντες, οὐδὲ ἀζημίους μέν, λυπηρὰς δὲ
τῇ ὄψει ἀχθηδόνας προστιθέμενοι. Ἀνεπαχθῶς δὲ τὰ ἴδια
προσομιλοῦντες τὰ δημόσια διὰ δέος μάλιστα οὐ παρανο-
μοῦμεν, τῶν τε αἰεὶ ἐν ἀρχῇ ὄντων ἀκροάσει καὶ τῶν νόμων,
καὶ μάλιστα αὐτῶν, ὅσοι τε ἐπ᾽ ὠφελίᾳ τῶν ἀδικουμένων
κεῖνται καὶ ὅσοι ἄγραφοι ὄντες αἰσχύνην ὁμολογουμένην
φέρουσιν.





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[Übersetzung]
Wir haben nämlich eine Verfassung, die nicht den Gesetzen von Nachbarvölkern nacheifert; vielmehr sind wir selbst eher Vorbild für manche, als dass wir andere nachahmen. Mit Namen wird sie Volksherrschaft (Demokratie) genannt, weil sie sich nicht auf wenige, sondern auf mehrere stützt, Anteil aber haben gemäß den Gesetzen im Hinblick auf die eigenen Interessen alle den gleichen, gemäß der Wertschätzung, wie jeder sich in irgendeinem Bereich auszeichnet, findet er nicht so sehr aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Gruppierung als vielmehr aufgrund seiner Leistung Anerkennung im Gemeinwesen; und so ist er auch nicht gemäß seiner Armut, wenn er etwas Gutes für die Stadt zu tun imstande ist, durch die Unscheinbarkeit seines Ranges daran gehindert. [2] Frei betätigen wir uns im öffentlichen Leben und verhalten uns ebenso ohne gegenseitige Missbilligung im alltäglichen Umgang miteinander. Wir haben keinen Groll gegen den Nachbarn, wenn er sein Vergnügen auslebt, wir setzen aber auch keine vorwurfsvolle Miene auf, die zwar keine Strafe darstellt, aber Missbehagen bereitet. [3] Obwohl wir in den Privatangelegenheiten tolerant miteinander umgehen, begehen wir im öffentlichen Leben hauptsächlich aus Scheu keine Gesetzesübertretung, im Gehorsam gegen die jeweiligen staatlichen Autoritäten und die Gesetze, und ganz besonders gegen diejenigen, die zum Schutz derjenigen bestehen, denen Unrecht getan wird, wie auch gegen die ungeschriebenen, deren Übertretung in der Gesellschaft Missfallen erregt.

1 ζηλόω: nacheifern —  οἱ πέλας: die Nachbarn





4 οἰκέω: hier: ausgerichtet sein auf, sich stsützen auf —  κέκληται: → Stf
5 πρὸς τὰ ἴδια διάφορα: im Hinblick auf die eigenen Interessen6 ἡ ἀξίωσις: Wertschätzung, Ansehen; Bedeutung —  εὐδοκιμέω: Beifall finden, sich auszeichnen —  ἀπὸ μέρους: aufgrund der Zugehärigkeit zu einem Stand/einer Klasse —  οὐκ … τὸ πλέον … ἢ: nicht so sehr … als vielmehr8 τὸ ἀξίωμα: Stand9 ἡ ἀφάνεια: Unsichtbarkeit, Unscheinbarkeit —  κεκώλυται: → Stf —  πρὸς τὸ κοινὸν: im öffentlichen Leben10 πολιτεύω: sich als Bürger betätigen —  ἐς τὴν … ὑποψίαν: bezieht sich auf Ἐλευθέρως: [frei] vor argwöhnische Beobachtung —  καθ᾽ ἡμέραν: von Tag zu Tag, täglich —  τὸ ἐπιτήδευμα: Verrichtung, Tun und Treiben, Lebensführung11 δι᾽ ὀργῆς ἔχειν τινά: gegen jmd. aufgebracht sein12 καθ᾽ ἡδονήν: nach Laune —  δράω: tun (FW „drastisch“) —  ἀζήμιος: ohne Bestrafung13 ἀχθηδόνας προστίθεσθαι: Belästigung, Ärgernis zufügen —  ἀνεπαχθῶς: unbeschwert13 προσομιλέω: miteinander verkehren14 τὸ δέος: Ehrfurcht, Respekt15 οἱ αἰεὶ ἐν ἀρχῇ ὄντες: die jeweiligen staatlichen Autoritäten  ἡ ἀκρόασις: das Hören, der Gehorsam17 ὅσοι ἄγραφοι ὄντες αἰσχύνην ὁμολογουμένην φέρουσιν: die als ungeschriebene anerkanntermaßen die größte Schande bringen – erg.: wenn sie übertreten werden
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