Platon "Kriton" 10.10.20

Platon, Kriton

Prüfung durch Sokrates (4):
Prüfung des Satzes Man darf untere keinen Umständen Unrecht tun

48d8-49e4

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Text nach Burnet
Kommentar / Übersetzung nach Schleiermacher

Sokrates hat die Grundlagen für die nun anstehende Prüfung geschaffen, indem der die δόξαι unterschieden und das gute und gerechte Leben als Kriterium etabliert hat. Nun geht er an die Prüfung der Sätze, von denen er nicht ohne Not abweichen möchte. Stimmt es zu sagen, man darf auf keine Weise Unrecht tun, oder gibt es Umstände, unter den Unrechttun erlaubt ist?

 


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     ΣΩ. Σκοπῶμεν, ὦ ἀγαθέ, κοινῇ, καὶ εἴ πῃ ἔχεις ἀντι-
λέγειν ἐμοῦ λέγοντος, ἀντίλεγε καί σοι πείσομαι· εἰ δὲ μή,
παῦσαι ἤδη, ὦ μακάριε, πολλάκις μοι λέγων τὸν αὐτὸν
λόγον, ὡς χρὴ ἐνθένδε ἀκόντων Ἀθηναίων ἐμὲ ἀπιέναι· ὡς
ἐγὼ περὶ πολλοῦ ποιοῦμαι πείσας σε ταῦτα πράττειν, ἀλλὰ
μὴ ἄκοντος. Ὅρα δὲ δὴ τῆς σκέψεως τὴν ἀρχὴν, ἐάν σοι
ἱκανῶς λέγηται, καὶ πειρῶ ἀποκρίνεσθαι τὸ ἐρωτώμενον, ᾗ
ἂν μάλιστα οἴῃ.
     ΚΡ. Ἀλλὰ πειράσομαι.
[Übersetzung]
Sokrates: Gemeinschaftlich, du Guter, wollen wir das überlegen, und hast du etwas einzureden, wenn ich rede, so rede ein, und ich will dir folgen. Wo aber nicht, so höre auf, mir immer dieselbe Rede zu wiederholen, ich solle wider der Athener Willen von hier fortgehn. Denn es ist mir ja wohl viel wert wenn du mich überredest dieses zu tun, nur nicht wider meinen Willen. Betrachte also den Anfang der Untersuchung ob er dir genützt, und suche das Gefragte zu beantworten nach deiner besten Meinung.

KR.: Das will ich versuchen.

d8 Σκοπῶμεν Hortativ — ἀντιλέγειν Gegenteiliges behaupten, Einwände erheben


e2 παῦσαι → Stf; → Konjug.; zur Konstruktion: Präd. Part.

e3 ἐνθένδε von hierἀκόντων Ἀθηναίων (eig. elliptischer Gen. abs.) gegen den Willen der Ath.e4 περὶ πολλοῦ ποιοῦμαι ich schätze hoch; dav. abh. ein AcI σε … πράττειν — ἀλλὰ μὴ ἄκοντος (Gen. abs., erg. μου) gegen meinen Willene5 Ὅρα, πειρῶ Imperative: → Konjug. u. → Konjug.


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     ΣΩ. Οὐδενὶ τρόπῳ φαμὲν ἑκόντας ἀδικητέον εἶναι, ἢ
τινὶ μὲν ἀδικητέον τρόπῳ τινὶ δὲ οὔ; Ἢ οὐδαμῶς τό γε
ἀδικεῖν οὔτε ἀγαθὸν οὔτε καλόν, ὡς πολλάκις ἡμῖν καὶ ἐν
τῷ ἔμπροσθεν χρόνῳ ὡμολογήθη;
Ἢ πᾶσαι ἡμῖν ἐκεῖναι αἱ πρόσθεν ὁμολογίαι ἐν ταῖσδε ταῖς
ὀλίγαις ἡμέραις ἐκκεχυμέναι εἰσίν, καὶ πάλαι, ὦ Kρίτων,
ἄρα τηλικοίδε ἄνδρες πρὸς ἀλλήλους σπουδῇ δια-
λεγόμενοι ἐλάθομεν ἡμᾶς αὐτοὺς παίδων οὐδὲν διαφέροντες;
Ἢ παντὸς μᾶλλον οὕτως ἔχει ὥσπερ τότε ἐλέγετο ἡμῖν·
εἴτε φασὶν οἱ πολλοὶ εἴτε μή, καὶ εἴτε δεῖ ἡμᾶς ἔτι τῶνδε
χαλεπώτερα πάσχειν εἴτε καὶ πρᾳότερα, ὅμως τό γε ἀδικεῖν
τῷ ἀδικοῦντι καὶ κακὸν καὶ αἰσχρὸν τυγχάνει ὂν παντὶ
τρόπῳ; Φαμὲν ἢ οὔ;
     ΚΡ. Φαμέν.
     ΣΩ. Οὐδαμῶς ἄρα δεῖ ἀδικεῖν.
     ΚΡ. Οὐ δῆτα.
     ΣΩ. Οὐδὲ ἀδικούμενον ἄρα ἀνταδικεῖν, ὡς οἱ πολλοὶ
οἴονται, ἐπειδή γε οὐδαμῶς δεῖ ἀδικεῖν.
     ΚΡ. Οὐ φαίνεται.
     ΣΩ. Τί δὲ δή; Κακουργεῖν δεῖ, ὦ Kρίτων, ἢ οὔ;
     ΚΡ. Οὐ δεῖ δήπου, ὦ Σώκρατες.
     ΣΩ. Τί δέ; Ἀντικακουργεῖν κακῶς πάσχοντα, ὡς οἱ
πολλοί φασιν, δίκαιον ἢ οὐ δίκαιον;
     ΚΡ. Οὐδαμῶς.
     ΣΩ. Τὸ γάρ που κακῶς ποιεῖν ἀνθρώπους τοῦ ἀδικεῖν
οὐδὲν διαφέρει.
     ΚΡ. Ἀληθῆ λέγεις.
[Übersetzung]
Sokrates: Sagen wir, man müsse auf gar keine Weise vorsätzlich unrecht tun? Oder auf einige zwar, nur auf andere nicht? Oder ist auf keine Weise das Unrechthandeln weder gut noch schön, wie wir oft ehedem übereingekommen sind, und auch jetzt eben gesagt worden? oder sind uns alle jene Behauptungen von ehedem seit diesen wenigen Tagen verschüttet? Und so lange, o Kriton, haben wir, so bejahrte Männer, nicht gemerkt, daß wir im ernsthaftesten Gespräch miteinander, doch nichts besser waren als die Kinder? Oder verhält es sich ja auf alle Weise so, wie wir damals sagten, die Leute mögen es nun annehmen oder nicht, und es mag uns nun deshalb noch härter ergehen als jetzt, oder auch besser, das Unrechttun ist doch dem, der es tut schädlich und schändlich auf alle Weise? Wollen wir dies sagen oder nicht?



KR.: Das wollen wir.
SO.: Auf keine Weise also soll man unrecht tun?
KR.: Nein freilich.
SO.: Also auch nicht der, dem unrecht geschehen ist, darf wieder unrecht tun, wie die meisten glauben, wenn man doch auf keine Weise unrecht tun darf?
KR.: Es scheint nicht.
SO.: Und wie doch? Darf man mißhandeln, oder nicht?
KR.: Man darf es wohl nicht, Sokrates.
SO.: Aber wie, wieder mißhandeln, nachdem man schlecht behandelt worden, ist das wie die meisten sagen, gerecht oder nicht?
KR.: Auf keine Weise.
SO.: Denn Jemanden schlecht behandeln ist nicht unterschieden vom unrecht tun.
KR.: Wahr gesprochen.

a4 Οὐδενὶ τρόπῳ … ἑκόντας ἀδικητέον εἶναι … dass man unter keinen Umständen Unrecht tun darf

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     ΣΩ. Οὔτε ἄρα ἀνταδικεῖν δεῖ οὔτε κακῶς ποιεῖν οὐδένα
ἀνθρώπων, οὐδ᾽ ἂν ὁτιοῦν πάσχῃ ὑπ᾽ αὐτῶν. Καὶ ὅρα, ὦ
Kρίτων ταῦτα καθομολογῶν, ὅπως μὴ παρὰ δόξαν ὁμολογῇς·
οἶδα γὰρ ὅτι ὀλίγοις τισὶ ταῦτα καὶ δοκεῖ καὶ δόξει. Οἷς
οὖν οὕτω δέδοκται καὶ οἷς μή, τούτοις οὐκ ἔστι κοινὴ βουλή,
ἀλλὰ ἀνάγκη τούτους ἀλλήλων καταφρονεῖν ὁρῶντας ἀλλή-
λων τὰ βουλεύματα. Σκόπει δὴ οὖν καὶ σὺ εὖ μάλα πότε-
ρον κοινωνεῖς καὶ συνδοκεῖ σοι καὶ ἀρχώμεθα ἐντεῦθεν
βουλευόμενοι, ὡς οὐδέποτε ὀρθῶς ἔχοντος οὔτε τοῦ ἀδικεῖν
οὔτε τοῦ ἀνταδικεῖν οὔτε κακῶς πάσχοντα ἀμύνεσθαι ἀντι-
δρῶντα κακῶς, ἢ ἀφίστασαι καὶ οὐ κοινωνεῖς τῆς ἀρχῆς;
Ἐμοὶ μὲν γὰρ καὶ πάλαι οὕτω καὶ νῦν ἔτι δοκεῖ, σοὶ δὲ εἴ
πῃ ἄλλῃ δέδοκται, λέγε καὶ δίδασκε. Εἰ δ᾽ ἐμμένεις τοῖς
πρόσθε, τὸ μετὰ τοῦτο ἄκουε.
     ΚΡ. Ἀλλ᾽ ἐμμένω τε καὶ συνδοκεῖ μοι· ἀλλὰ λέγε.
[Übersetzung]
Sokrates: Also weder wiederbeleidigen darf man, noch irgend einen Menschen mißhandeln, und wenn man auch was es immer sei von ihm erleidet. Und siehe wohl zu, Kriton, wenn du dies eingestehst, daß du es nicht gegen deine Meinung eingestehst. Denn ich weiß wohl, daß nur Wenige dieses glauben und glauben werden. Welche also dies annehmen, und welche nicht, für die gibt es keine gemeinschaftliche Beratschlagung, sondern sie müssen notwendig einander gering achten, wenn einer des andern Entschließungen sieht. Überlege also auch du recht wohl, ob du Gemeinschaft mit mir machst, und dies auch annimmst, und wir hievon unsere Beratung anfangen wollen, daß niemals weder beleidigen noch wiederbeleidigen recht ist, noch auch wenn einem übles geschieht sich dadurch helfen, daß man wieder übles zufügt, oder ob du abstehst und du keinen Teil haben willst an diesem Anfang. Ich meines Teils habe schon immer dieses angenommen und auch jetzt noch. Du aber, nimmst du irgend etwas anderes an, so sprich und trage es vor, bleibst du aber bei dem ehemaligen, so höre nun das Weitere.
KR.: Allerdings bleibe ich dabei, und nehme es mit dir an. Also sprich.




d1 ταῦτα καθομολογῶν (von ὁμολογέω überein-/zustimmen): konditionales Partizip — ταῦτα καθομολογῶν gegen deine Meinung; davon kommt das Fw. „paradox“
d2 ὀλίγοι τινές einige Wenige