Thukydides, Peloponnesischer Krieg 1,21–22 Methodenkapitel 10.12.15

Thukydides, Peloponnesischer Krieg

1,21–22 Methodenkapitel

I
Griechischer Text nach Jones (Oxford)
Z.
Kommentar / Übersetzung

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Ἐκ δὲ τῶν εἰρημένων τεκμη-
ρίων ὅμως τοιαῦτα ἄν τις νομίζων μάλιστα, ἃ διῆλθον, οὐχ
ἁμαρτάνοι, καὶ οὔτε, ὡς ποιηταὶ ὑμνήκασι περὶ αὐτῶν ἐπὶ τὸ
μεῖζον κοσμοῦντες, μᾶλλον πιστεύων, οὔτε, ὡς λογογράφοι
ξυνέθεσαν ἐπὶ τὸ προσαγωγότερον τῇ ἀκροάσει ἢ ἀληθέ-
στερον, ὄντα ἀνεξέλεγκτα καὶ τὰ πολλὰ ὑπὸ χρόνου αὐτῶν
ἀπίστως ἐπὶ τὸ μυθῶδες ἐκνενικηκότα, ηὑρῆσθαι δὲ ἡγησά-
μενος ἐκ τῶν ἐπιφανεστάτων σημείων ὡς παλαιὰ εἶναι
ἀποχρώντως. Καὶ ὁ πόλεμος οὗτος, καίπερ τῶν ἀνθρώπων
ἐν ᾧ μὲν ἂν πολεμῶσι τὸν παρόντα αἰεὶ μέγιστον κρινόντων,
παυσαμένων δὲ τὰ ἀρχαῖα μᾶλλον θαυμαζόντων, ἀπ᾽ αὐτῶν
τῶν ἔργων σκοποῦσι δηλώσει ὅμως μείζων γεγενημένος
αὐτῶν.





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[Übersetzung]
Wenn man gemäß der dargelegten Beweise trotzdem die Dinge in der Weise annimmt, wie ich sie hauptsächlich dargelegt habe, wird man nicht fehlgehen, und man wird weder der Art, wie die Dichter die Geschehnisse gepriesen haben, indem sie sie durch Ausschmückung vergrößert haben, zu großen Glauben schenkt, noch der Art, wie die Logographen die Ereignisse verfasst haben, nämlich verlockender zum Zuhören als an der Wahrheit orientiert, da die Ereignisse unbeweisbar sind und meistenteils aufgrund der Länge der Zeit sich unglaubwürdig ins Mythische übersteigert haben, man wird aber der Meinung sein, aus den deutlichsten Beweisen eine für ihr Alter ausreichende Erkenntnis gewonnen zu haben. [2] Und obwohl die Menschen immer den Krieg als den größten empfinden, der gerade stattfindet, dann aber, wenn er aufhört, das Alte mehr bewundern, wird dieser Krieg denjenigen, die auf die Tatsachen schauen, deutlich machen, dass er dennoch größer war als die vorherigen.

1 τὰ εἰρημένα: das Gesagte Stf2 ἄν … οὐχ ἁμαρ­τάνοι: Potentialis! — τοιαῦτα … τις νομίζων μάλι­στα: wörtl.: wenn jemand das, was ich dargelegt habe (ἃ διῆλθον), im wesentlichen (μάλιστα) als Sobeschaffenes (τοιαῦ­τα) annimmt; man könnte auch ein εἶναι erg. (➝ AcI) — 3 ὑμνήκασι: Pf. v. ὑμνέω (➝ Hymnus) — ἐπὶ τὸ μεῖζον κοσμοῦντες: durch Ausschmückung (κοσμέω) vergrößern (μεῖζον)4 λογογράφοι: (ionische) Geschichtenerzähler wie Hellanikos v. Mytilene, Hekataios v. Milet, Herodot v. Halikarnass. — 5 ξυνέθεσαν: → Stf; darstellen, abfassenἐπὶ τὸ προσαγωγότερόν τινι: verlockender (für jmd./etw.)ἡ ἀκρόασις, -εως: das Zuhören6 ἀνεξέλεγκτος: unbeweisbarτὰ πολλὰ … αὐτῶν: das meiste von ihnenὑπὸ χρόνου: durch die Länge der Zeit7 ἐπὶ τὸ μυθῶδες ἐκνενικηκότα: sich ins Mythische übersteigert habenηὑρῆσθαι: → Stf8 ὡς παλαιὰ εἶναι: für ihr Alter9 ἀποχρώντως: ausreichend
[Satzanalyse Abschn. 1]
Ordne so:
Ὅμως τις – ἐκ δὲ τῶν εἰρημένων τεκμη­ρίων –
νομίζων τοιαῦτα, ἃ διῆλθον, μάλιστα <εἶ­ναι>

ἄν οὐχ ἁμαρτάνοι,
καὶ μᾶλλον πιστεύων οὔτε, ὡς ποιη­ταὶ ὑμνή­κασι …, οὔ­τε, ὡς λογογράφοι ξυνέθε­σαν …,
ηὑρῆσθαι δὲ ἡγη­σά­μενος … .
    = HS (im Potentialis)
    = Konstruktion mit drei Partizipien, entweder modal unterordnen oder, wie hier, beiordnen

9 ὁ πόλεμος οὗτος: Der HS wird hat sein Prädikat in Z. 12 δηλώσει (→ Stf) — καίπερ τῶν ἀνθρώπων … μὲν … κρινόντων: konz. Gen. abs., wird fortgesetzt mit παυσαμένων δὲ … θαυμαζόντων: obwohl die Menschen … beurteilen, nach dem sie aber aufgehört haben … bewundernἀπ᾽ αὐτῶν τῶν ἔργων: von den Tatsachen selbst her12 σκοποῦσι: Part. Präs. (Dat. Pl. m.)

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Kαὶ ὅσα μὲν λόγῳ εἶπον ἕκαστοι ἢ μέλλοντες πολεμή-
σειν ἢ ἐν αὐτῷ ἤδη ὄντες, χαλεπὸν τὴν ἀκρίβειαν αὐτὴν
τῶν λεχθέντων διαμνημονεῦσαι ἦν ἐμοί τε, ὧν αὐτὸς ἤκουσα,
καὶ τοῖς ἄλλοθέν ποθεν ἐμοὶ ἀπαγγέλλουσιν· ὡς δ᾽ ἂν
ἐδόκουν ἐμοὶ ἕκαστοι περὶ τῶν αἰεὶ παρόντων τὰ δέοντα
μάλιστ᾽ εἰπεῖν, ἐχομένῳ ὅτι ἐγγύτατα τῆς ξυμπάσης γνώμης
τῶν ἀληθῶς λεχθέντων, οὕτως εἴρηται. Τὰ δ᾽ ἔργα τῶν
πραχθέντων ἐν τῷ πολέμῳ οὐκ ἐκ τοῦ παρατυχόντος πυνθα-
νόμενος ἠξίωσα γράφειν, οὐδ᾽ ὡς ἐμοὶ ἐδόκει, ἀλλ᾽ οἷς τε
αὐτὸς παρῆν καὶ παρὰ τῶν ἄλλων ὅσον δυνατὸν ἀκριβείᾳ
περὶ ἑκάστου ἐπεξελθών. Ἐπιπόνως δὲ ηὑρίσκετο, διότι οἱ
παρόντες τοῖς ἔργοις ἑκάστοις οὐ ταὐτὰ περὶ τῶν αὐτῶν
ἔλεγον, ἀλλ᾽ ὡς ἑκατέρων τις εὐνοίας ἢ μνήμης ἔχοι. Καὶ
ἐς μὲν ἀκρόασιν ἴσως τὸ μὴ μυθῶδες αὐτῶν ἀτερπέστερον
φανεῖται· ὅσοι δὲ βουλήσονται τῶν τε γενομένων τὸ σαφὲς
σκοπεῖν καὶ τῶν μελλόντων ποτὲ αὖθις κατὰ τὸ ἀνθρώπινον
τοιούτων καὶ παραπλησίων ἔσεσθαι, ὠφέλιμα κρίνειν αὐτὰ
ἀρκούντως ἕξει. Κτῆμά τε ἐς αἰεὶ μᾶλλον ἢ ἀγώνισμα ἐς τὸ
παραχρῆμα ἀκούειν ξύγκειται.

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[Übersetzung]
Und in Bezug auf das, was jede Partei jeweils in ihren Reden vortrug, entweder als sie im Begriff war, einen Krieg zu führen, oder als sie sich bereits in ihm befand, war es schwierig, den Wortlaut (= τὴν ἀκρίβειαν αὐτήν) des Gesagten im Gedächtnis zu behalten, sowohl für mich bei dem, was ich selbst hörte, als auch für die, welche mir anderswoher darüber berichteten. Wie aber jede Partei aufgrund der jeweils vorherrschenden Lage nach meiner Ansicht hätte sprechen müssen, wobei ich mich möglichst an den Gesamtsinn des in Wahrheit Gesagten hielt, so sind die Reden wiedergegeben.
[2] Die tatsächlichen Vorfälle im Krieg aber beschrieb ich nach meiner Überzeugung nicht so, wie ich sie zufällig erfuhr, auch nicht, wie sie mir erschienen, sondern indem ich jeden einzelnen Vorfall, d. h. sowohl das selbst Erlebte als auch das von anderen Berichtete, soweit es möglich war, mit Genauigkeit untersuchte.
[3] Es stellte sich aber als mühsam heraus, weil die Augenzeugen der Ereignisse über dieselben Vorfälle/Geschehnisse nicht dasselbe erzählten, sondern jeder nach Wohlwollen oder Gedächtnis.
[4] Und für das reine Zuhören wird meine Darstellung ohne die mythischen Teile einen ziemlich ungefälligen Eindruck machen; wer aber aus den Geschehnissen eine genaue Erkenntnis gewinnen möchte und für die Zukunft, die irgendwann wieder nach menschlichem Ermessen so oder ähnlich sein wird, nützliche Folgerungen ziehen möchte, wird diese Darstellung als ausreichend erachten. Sie ist in der Absicht verfasst, ein Besitz für immer (κτῆμά ἐς αἰεί – auch „Werk für die Ewigkeit“) zu sein, und nicht so sehr ein Wettbewerbsbeitrag für das sofortige Hören.

15 ὅσα μὲν λόγῳ εἶπον: was sie in ihren Reden sagten; steht in Korrelation mit Z. 21: Τὰ δ᾽ ἔργα τῶν πραχθέντων — ἕκαστοι: jede der beiden Kriegsparteien16 ἐν αὐτῷ ἤδη ὄντες: im Krieg bereits seinχαλεπὸν … ἦν: gehört zusammen: es war schwierig; davon hängen die Dative ἐμοί Z. 17 und τοῖς … ἀπαγγέλλουσιν Z. 18 ab —  ἡ ἀκρίβεια hier: Wortlaut17 τῶν λεχθέντων: dessen, was gesagt worden ist —  διαμνημονεῦσαι: genau wiedergeben —  ὧν: = τούτων, ἅ (Attraktion des Relativums) — 18 ἄλλοθέν ποθεν: anders woher19 περὶ τῶν αἰεὶ παρόντων: über die/aufgrund der jeweils vorherrschenden Lage20 ἐχομένῳ: Dat. hängt von ἐμοί Z. 19 ab: indem ich mich daran hielt —  ὅτι m. Superl.: möglichst21 οὕτως εἴρηται: so sind die Reden wiedergegeben worden —  τὰ ἔργα τῶν πραχθέντων m. Superl.: die tatsächlichen Vorfälle Stf; Satzstruktur: οὐκ ἐκ τοῦ π. … οὐδ᾽ ὡς ἐμοὶ ἐδόκει, ἀλλ᾽ οἷς τε αὐτὸς παρῆν nicht zufällig … und nicht …, sondern …22 ἐκ τοῦ παρατυχόντος: zufällig23 ἀξιόω hier: für richtig halten —  οἷς … αὐτὸς παρῆν: wobei ich selbst zugegen war24  παρὰ τῶν ἄλλων: was ich von anderen erfuhr —  ὅσον δυνατὸν: so viel wie möglich25  ἐπεξέρχομαι: genau erforschen —  ἐπιπόνως: mühsam27  ὡς ἑκατέρων τις εὐνοίας ἢ μνήμης ἔχοι: jeder nach Wohlwollen oder Gedächtnis28  ἀτερπέστερον: ziemlich unattraktiv32  ἀγώνισμα: konkretes Element (Endung -μα) eines ἄγων —   ἐς τὸ παραχρῆμα: für den Augeblick