Die Sophisten

Um die Mitte des 5. Jhdts gab es ein Wende im Denken. Ging es vorher hauptsächlich um τὰ μετέωρα, also um die Himmelserscheinungen, und sonstige Phänomene der Natur, so verlagerte sich das Augenmerk nun auf den Menschen. Es ist die Zeit der Entwicklung der Demokratie, als weitere Schichten der Bevölkerung sich um die Staatsgeschäfte kümmerten und dazu eine entsprechende Bildung brauchten. Die Lehrer, die sich dafür anboten, wurden Sophisten genannt.

Was ist ein Sophist?

Der Begriff Sophist (ὁ σοφιστής) bezeichnet ursprünglich einfach einen σοφὸς ἀνήρ, also einfach einen weisen Mann. Sophist war jeder, der durch Forschung und Denken zu Erkenntnissen gekommen ist, die andere nicht hatten. Zur abfälligen (und heute vorherrschenden) Bedeutung des Sophisten als eines Wortverdrehers kommt es erst durch die von Platon eher einseitig dargestellte Auseinandersetzung Sokrates’ mit den Sophisten. Sokrates war grundsätzlich und ausschließlich an der Wahrheit interessiert, während die Sophisten viel pragmatischere Ziele verfolgten. Sie versprachen, jeden, der zu ihnen in die Schule ging, erfolgreich zu machen, ein Sieger zu werden in jeder Diskussion, die Menschen (zu denken ist an demokratische Institutionen wie die Volksversammlung, Phylenversammlung, Geschworene vor Gericht usw.) überzeugen zu können und dazu zu bringen, so abzustimmen, wie man es möchte. Dazu boten sie vor allem Unterricht in Rhetorik an.

Platon schuf in seinem Eintreten für die Objektivität der Wahrheit Dialoge zwischen Sokrates und den großen Vertreter der Sophistik, in denen letztere so dargestellt werden, dass sie ihre Argumentationsziele durch solche Tricks zu erreichen suchen. Außerdem müssen sie sich durch das Fragen des Sokrates dazu bekennen, dass sie ethisch fragwürdige Positionen vertreten wie das Recht des Stärkeren, die zügellose Verfolgung der Lust als das höchste Gut usw. Gegen den Objektivitätsanspruch der Wahrheit bei Sokrates und Platon vertreten die Sophisten einen dezidierten (entschiedenen) Relativismus.

Bekannte Vertreter

Die bekanntesten Vertreter, die horrende Summen für ihren Unterricht verlangten, waren

Alle drei lebten im 5. Jhdt. und werden in den Dialogen Platons charakterisiert, teilweise auch karikiert. Es ist bemerkenswert, dass die bekanntesten und größten der Sophisten nicht aus Athen kommen, wie schon die Vorsokratiker allesamt keine Athener sind.

Bekannte Lehren einzelner Sophisten

Protagoras

Protagoras war berühmt für seinen Homo-Mensura-Satz:

Πάντων χρημάτων μέτρον ἐστὶν ἄνθρωπος, τῶν μὲν ὄντων ὡς ἔστιν, τῶν δὲ οὐκ ὄντων ὡς οὐκ ἔστιν.

Aller Dinge Maß ist der Mensch, der seienden, dass sie sind, der nichtseienden, dass sie nicht sind.

Dies kann verschieden interpretiert werden. Platon, durch den der Satz überliefert ist, nimmt ihn als Beleg eines totalen Relativismus: Alles sieht immer nur so aus für dich, wie du es wahrnimmst. Ein anderer könnte etwas ganz Anderes wahrnehmen. Beispiel: Luftzug in der S-Bahn. Ältere Leute schließen immer alle Fenster, weil ihnen kalt ist, jüngere finden den Luftzug sehr angenehm. Das gilt z. B. für alle Empfindungen.

Ein weiterer berühmter Ausspruch von ihm lautet:

Τὸν ἥττω ... λόγον κρείττω ποιεῖν.

Das schwächere Argument zum stärkeren machen.

Es geht ihm also nicht um Wahrheit, sondern um den Sieg gegen andere Argumente. Hier liegt ein grundsätzlicher Unterschied zu Sokrates und Platon, denen es um eine vom Individuum unabhängige Wahrheit ging. Protagoras lehrte demgegenüber hauptsächlich Argumentationstechnik und Rhetorik, um durch die sie gegen seine Kontrahenten den Sieg davon zu tragen – über Wahrheit ist damit nichts ausgemacht.

Gorgias

Über ihn ist Folgendes überliefert:

Ἐν γὰρ τῷ ἐπιγραφομένῳ «Περὶ τοῦ μὴ ὄντος» ἢ «Περὶ φύσεως» τρία κατὰ τὸ ἑξῆς κεφάλαια κατασκευάζει,
ἓν μὲν καὶ πρῶτον ὅτι οὐδὲν ἔστιν,
δεύτερον ὅτι εἰ καὶ ἔστιν, ἀκατάληπτον ἀνθρώπῳ,
τρίτον ὅτι εἰ καὶ καταληπτόν, ἀλλὰ τοί γε ἀνέξοιστον καὶ ἀνερμήνευτον τῷ πέλας.

Denn in seiner Schrift „Über das Nichtseiende“ oder „Über die Natur“ stellt er drei aufeinander folgende Grundsätze auf:
der erste, dass nichts ist;
der zweite, dass, auch wenn etwas ist, es dem Menschen nicht erfassbar ist, und
drittens, dass, auch wenn es erfassbar ist, nicht dem anderen mitteilbar und erklärbar ist.

Eine solche Einstellung wird als Nihilismus bezeichnet.

Gerechtigkeitstheorien von Thrasymachos und Kallikles

Um nicht dem allgemeinen Gerechtigkeitsbegriff zu unterliegen, wonach eine nihilistische oder relativistische Argumentation vielleicht als ungerecht gegolten hätte, versuchen einige Sophisten, die Gerechtigkeit neu zu definieren, und zwar so:

Dann wären die Schwachen, wenn sie sich zusammentun, nur Verhinderer der Gerechtigkeit, weil sie sich dem Starken mit vereinten Kräften entgegenstellen.