Xenophon Memorabilia, 1,1,10–16 31.08.15

Xenophon, Memorabilia

1,1,10–16: Sokrates’ tägliche Beschäftigung

1,1
Griechischer Text
Z.
Kommentar / Übersetzung
10


11
Ἀλλὰ μὴν ἐκεῖνός γε ἀεὶ μὲν ἦν ἐν τῷ φανερῷ. Πρῴ τε γὰρ εἰς τοὺς
περιπάτους καὶ τὰ γυμνάσια ᾔει καὶ πληθούσης ἀγορᾶς ἐκεῖ φανερὸς ἦν καὶ
τὸ λοιπὸν ἀεὶ τῆς ἡμέρας ἦν, ὅπου πλείστοις μέλλοι συνέσεσθαι. Καὶ ἔλεγε
μὲν ὡς τὸ πολύ, τοῖς δὲ βουλομένοις ἐξῆν ἀκούειν. Οὐδεὶς δὲ πώποτε
Σωκράτους οὐδὲν ἀσεβὲς οὐδὲ ἀνόσιον οὔτε πράττοντος εἶδεν οὔτε λέγοντος
ἤκουσεν.




5
[Übersetzung]
Aber gewiß war jener wenigstens immer in der Öffentlichkeit. Am frühen Morgen ging er nämlich zu den Säulenhallen und Sportstätten und erschien, wenn sich der Markt füllte, dort und war im übrigen jeden Tag immer da, wo er mit den meisten zusammensein konnte. Und er war gewöhnlich im Gespräch, und jedem, der nur wollte, stand es frei zuzuhören. Keiner aber hat jemals gesehen oder gehört, wie Sokrates etwas Unfrommes oder Gottloses tat oder sagte.
1 τὸ φανερόν, οῦ Öffentlichkeitπρῴ früh am Morgen2 ὁ περίπατος, ου Säulenhalleᾔει → Konjug.πλήθω sich füllen3 τὸ λοιπόν adv.: im Übrigenτῆς ἡμέρας jeden Tag (distributiver Genitiv) – ὅπου wo (auch immer)μέλλοι → Stf → Konjug.συν-έσεσθαι Fut. v. σύν-ειμι → Konjug.4 ὡς τὸ πολύ adv.: meistens, gewöhnlichπώποτε jemals5 ἀ-σεβής, ές: α privativum, Ggs. zu εὐσεβής – εἶδεν → Stf6 ἤκουσεν → Stf
Οὐδὲ γὰρ περὶ τῆς τῶν πάντων φύσεως, ᾗπερ τῶν ἄλλων οἱ πλεῖστοι,
διελέγετο σκοπῶν,
      ὅπως ὁ καλούμενος ὑπὸ τῶν σοφιστῶν κόσμος ἔχει
      καὶ τίσιν ἀνάγκαις ἕκαστα γίγνεται τῶν οὐρανίων,
ἀλλὰ καὶ τοὺς φροντίζοντας τὰ τοιαῦτα μωραίνοντας ἀπεδείκνυε.
7


10
[Übersetzung]
Und er pflegte sich nicht über die Natur von allen Dingen zu unterhalten, wie die meisten anderen, indem er etwa untersuchte, wie der von den Weisen so genannte Kosmos beschaffen ist und nach welchen Notwendigkeiten jede der Himmelserscheinungen entsteht, sondern er versuchte sogar aufzuzeigen, dass diejenigen, die sich um solche Dinge kümmern, dumm handeln.
7 ᾗπερ wie8 διελέγετο beachte von hier an den Tempuswechsel! → Aspektσκοπῶν Part. Präs. v. σκοπέω – 9 ὅπως Adv. wie, auf welche Weise10 τίσιν v. τίς – τὰ οὐράνια, ων Himmels-erscheinungen11 μωραίνω dumm sein od. handeln
12
Καὶ πρῶτον μὲν αὐτῶν ἐσκόπει,
      πότερόν ποτε νομίσαντες ἱκανῶς ἤδη τἀνθρώπινα εἰδέναι ἔρχονται ἐπὶ
      τὸ περὶ τῶν τοιούτων φροντίζειν,
       τὰ μὲν ἀνθρώπινα παρέντες, τὰ δαιμόνια δὲ σκοποῦντες, ἡγοῦνται
      τὰ προσήκοντα πράττειν.
12


15
[Übersetzung]
Und zuerst prüfte er gewöhnlich bei ihnen, ob sie denn aufgrund ihrer Überzeugung, ausreichend über die menschlichen Dinge Bescheid zu wissen, dazu kommen, sich um derartige Dinge zu kümmern, oder ob sie der Meinung sind, das Gehörige zu tun, wenn sie die menschlichen Angelegenheiten beiseite lassen und stattdessen das Übermenschliche betrachten.

13–15 πότερον … ἤ ob … oder (ob)13 ποτε → Tabelleνομίσαντες vgl. Aorist der T-Stöckeτἀνθρώπινα Krasis aus τὰ ἀνθρώ-πινα; ἀνθρώπινος = ἀνθρώπειος – εἰδέναι → Konjug.15 παρέντες v. παρ-ίημι („daneben“ lassen ⇒) beiseite od. unbeachtet lassen → Stf → Konjug.τὰ προσήκοντα (Part. v. προσήκει) das, was sich gehört, das Gehörige
13
Ἐθαύμαζε δ᾽ εἰ μὴ φανερὸν αὐτοῖς ἐστιν, ὅτι ταῦτα οὐ δυνατόν ἐστιν
ἀνθρώποις εὑρεῖν. Ἐπεὶ καὶ τοὺς μέγιστον φρονοῦντας ἐπὶ τῷ περὶ τούτων
λέγειν οὐ ταὐτὰ δοξάζειν ἀλλήλοις, ἀλλὰ τοῖς μαινομένοις ὁμοίως διακεῖσθαι
πρὸς ἀλλήλους.



20
[Übersetzung]
Er wunderte sich immer wieder, ob ihnen nicht klar sei, dass diese Dinge zu ergründen für Menschen unmöglich ist. Denn auch diejenigen, die sich am meisten darauf einbildeten, wie sie über diese Dinge redeten, sind untereinander nicht derselben Meinung darüber, sondern den Wahnsinnigen gleich ist ihre Einstellung zueinander.

17 θαυμάζειν εἰ sich wundern, obεὑρεῖν → Stf18 ἐπεί denn; Fortführung des Referats, was Sokr. sagte, d. h. indirekte Rede. Die Antithese steht folgl. im AcI: τοὺς … φρονοῦντας … οὐ … δοξάζειν …, ἀλλὰ … διακεῖσθαι … – μέγιστον φρονέω (ἐπί τινι) sehr stolz (auf etw.) sein19 δοξάζειν meinen, vermutenταὐτά (Krasis aus τὰ αὐτά) dasselbeδιακεῖσθαι → Stf
14
Τῶν τε γὰρ μαινομένων τοὺς μὲν οὐδὲ τὰ δεινὰ δεδιέναι, τοὺς δὲ καὶ τὰ μὴ φοβερὰ φοβεῖσθαι, καὶ τοῖς μὲν οὐδ᾽ ἐν ὄχλῳ δοκεῖν αἰσχρὸν εἶναι λέγειν ἢ ποιεῖν ὁτιοῦν, τοῖς δὲ οὐδ᾽ ἐξιτητέον εἰς ἀνθρώπους εἶναι δοκεῖν, καὶ τοὺς μὲν οὔθ᾽ ἱερὸν οὔτε βωμὸν οὔτ᾽ ἄλλο τῶν θείων οὐδὲν τιμᾶν, τοὺς δὲ καὶ λίθους καὶ ξύλα τὰ τυχόντα καὶ θηρία σέβεσθαι· τῶν τε περὶ τῆς τῶν πάντων φύσεως μεριμνώντων τοῖς μὲν δοκεῖν ἓν μόνον τὸ ὂν εἶναι, τοῖς δ᾽ ἄπειρα τὸ πλῆθος, καὶ τοῖς μὲν ἀεὶ πάντα κινεῖσθαι, τοῖς δ᾽ οὐδὲν ἄν ποτε κινηθῆναι, καὶ τοῖς μὲν πάντα γίγνεσθαί τε καὶ ἀπόλλυσθαι, τοῖς δὲ οὔτ᾽ ἂν γενέσθαι ποτὲ οὐδὲν οὔτε ἀπολεῖσθαι.
[Übersetzung]
Von den Wahnsinnigen würden die einen das Furchtbare nicht fürchten, die anderen das Nicht-Furchtbare aber fürchten, und den einen sei es nicht einmal peinlich inmitten einer Menschenmenge alles Mögliche zu sagen und zu tun, die anderen scheinen sicht gar nicht unter Menschen zu trauen, und die einen scheinen weder einen Tempel noch einen Altar noch sonst ein Heiligtum zu ehren, die anderen dagegen sogar Steine, beliebige Holzstück oder Tiere zu verehren. Von denen, die über die Natur von allem grübeln, scheint den einen das Seiende nur eines zu sein, den anderen der Menge nach unbegrenzt vieles, und den einen scheint alles immer in Bewegung zu sein, den anderen scheint nichts jemals bewegt zu werden, und den einen scheint alles zu werden und zu vergehen, den anderen scheint nichts jemals zu entstehen oder zu vergehen.

15
Ἐσκόπει δὲ περὶ αὐτῶν καὶ τάδε, ἆρ᾽, ὥσπερ οἱ τἀνθρώπεια μανθάνοντες ἡγοῦνται τοῦθ᾽ ὅ τι ἂν μάθωσιν ἑαυτοῖς τε καὶ τῶν ἄλλων ὅτῳ ἂν βούλωνται ποιήσειν, οὕτω καὶ οἱ τὰ θεῖα ζητοῦντες νομίζουσιν, ἐπειδὰν γνῶσιν αἷς ἀνάγκαις ἕκαστα γίγνεται, ποιήσειν, ὅταν βούλωνται, καὶ ἀνέμους καὶ ὕδατα καὶ ὥρας καὶ ὅτου ἂν ἄλλου δέωνται τῶν τοιούτων, ἢ τοιοῦτον μὲν οὐδὲν οὐδ᾽ ἐλπίζουσιν, ἀρκεῖ δ᾽ αὐτοῖς γνῶναι μόνον ᾗ τῶν τοιούτων ἕκαστα γίγνεται.
[Übersetzung]
Er untersuchte darüber auch dies, ob etwa, wie die Leute, die die menschlichen Dinge lernen, glauben, dass sie das, was sie gelernt haben, für sich selbst und für wen immer sie wollen nutzbar machen zu können, so auch die Leute, die das Göttliche untersuchen, glauben, sie könnten, nachdem sie die Notwendigkeiten, nach denen alles geschieht, erkannt haben, Wind und Wasser und Jahreszeiten und was sie sonst von derartigen Dingen gebrauchen könnten, wenn sie wollen, oder ob sie nichts davon erhofften, es ihnen vielmehr genügt nur zu erkennen, wie alles davon entsteht.
16
Περὶ μὲν οὖν τῶν ταῦτα πραγματευομένων τοιαῦτα ἔλεγεν.
Αὐτὸς δὲ περὶ τῶν ἀνθρωπείων ἀεὶ διελέγετο σκοπῶν, τί εὐσεβές, τί ἀσεβές,
τί καλόν, τί αἰσχρόν, τί δίκαιον, τί ἄδικον, τί σωφροσύνη, τί μανία, τί
ἀνδρεία, τί δειλία, τί πόλις, τί πολιτικός, τί ἀρχὴ ἀνθρώπων, τί ἀρχικὸς
ἀνθρώπων, καὶ περὶ τῶν ἄλλων, ἃ τοὺς μὲν εἰδότας ἡγεῖτο καλοὺς κἀγαθοὺς
εἶναι, τοὺς δ᾽ ἀγνοοῦντας ἀνδραποδώδεις ἂν δικαίως κεκλῆσθαι.

21



25
[Übersetzung]
Über die Leute, die sich mit diesen Dingen beschäftigen, sagte er also solches.
Selbst aber unterhielt er sich immer über die menschlichen Angelegenheiten, indem er untersuchte, was fromm, was unfromm, was gut, was schlecht, was gerecht, was ungerecht, was die Besonnenheit, was Raserei, was Tapferkeit, was Feigheit, was der Staat, was der Staatsbürger, was Herrschaft über Menschen, was ein Herrscher über Menschen ist, und über die anderen Dinge, in Bezug auf die, wenn man sie weiß, man für gut und tüchtig gehalten wird, die einem aber, wenn man sie nicht weiß, wohl gerechterweise den Titel eines Sklaven einbringen.
21 ἀσεβής, ές α privativum, Ggs. zu εὐσεβής – 22 ἡ μανία Wahnsinn, Raserei23 ἡ δειλία Subst. zu δειλός – πολιτικός hier: Staatsbürgerἀρχικός hier: Herrscher24  (Akk. graecus) in Bezug auf das; ordne den Satz so: ἃ ἡγεῖτο τοὺς μὲν εἰδότας καλοὺς κἀγαθοὺς εἶναι: von ἡγεῖτο hängt der AcI ab, wobei τοὺς μὲν εἰδότας der Akk. ist und καλοὺς κἀγαθοὺς εἶναι der Inf. – 25 τοὺς δ᾽ ἀγνοοῦντας es wird der AcI, abh. v. ἡγεῖτο, weitergeführt: τοὺς δ᾽ ἀγνοοῦντας ist der Akk., ἀνδραποδώδεις … κεκλῆσθαι der Inf. – ἀνδραποδώδης, ες sklavisch, sklavisch gesinntκεκλῆσθαι → Stf