Platon „Hippias maior“ 06.07.20

Platon, Hippias I

„Was ist das Schöne?“

6. τὸ ὠφέλιμον (296d7–297e2)

296
Text nach Burnet
Kommentar / Übersetzung nach Schleiermacher
d 6
ΣΩ.  Ἐκεῖνο μὲν τοίνυν οἴχεται, τὸ δυνατόν τε καὶ χρή-
σιμον ἁπλῶς εἶναι καλόν· ἀλλ᾽ ἄρα τοῦτ᾽ ἦν ἐκεῖνο, ὦ Ἱπ-
πία, ὃ ἐβούλετο ἡμῶν ἡ ψυχὴ εἰπεῖν, ὅτι τὸ χρήσιμόν τε
καὶ τὸ δυνατὸν ἐπὶ τὸ ἀγαθόν τι ποιῆσαι, τοῦτ᾽ ἐστὶ
τὸ καλόν;
[Übersetzung]
Sokrates: Das ist also doch fort geworfen, dass das Vermögende und Brauchbare schlechthin schön ist, sondern das war es wohl eigentlich, Hippias, was wir sagen wollten, dass das Brauchbare und Vermögende um Gutes zu verrichten, das Schöne sei.
ΙΠ.  Ἔμοιγε δοκεῖ.
[Übersetzung]
Hippias: Das glaube ich auch.
ΣΩ.  Ἀλλὰ μὴν τοῦτό γε
ὠφέλιμόν ἐστιν. Ἢ οὔ;
[Übersetzung]
Sokrates: Das ist aber doch das Nützliche. Oder nicht?
ΙΠ.  Πάνυ γε.
[Übersetzung]
Hippias: Freilich.
ΣΩ.  Οὕτω δὴ
καὶ τὰ καλὰ σώματα καὶ τὰ καλὰ νόμιμα καὶ ἡ σοφία καὶ
ἃ νυνδὴ ἐλέγομεν πάντα καλά ἐστιν, ὅτι ὠφέλιμα.
[Übersetzung]
Sokrates: So sind wohl auch die schönen Körper und die schönen Einrichtungen und die Weisheit und alles was wir jetzt erwähnten, schön, weil nützlich.
ΙΠ.  Δῆλον ὅτι.
[Übersetzung]
Hippias: Offenbar.
ΣΩ.  Τὸ ὠφέλιμον ἄρα ἔοικεν ἡμῖν εἶναι τὸ
καλόν, ὦ Ἱππία.
[Übersetzung]
Sokrates: Das Nützliche also zeigt sich uns nun das Schöne zu sein, o Hippias.
ΙΠ.  Πάντως δήπου, ὦ Σώκρατες.
[Übersetzung]
Hippias: Auf alle Weise, Sokrates.
ΣΩ.  Ἀλλὰ μὴν τό γε ὠφέλιμον τὸ ποιοῦν ἀγαθόν ἐστιν.
[Übersetzung]
Sokrates: Aber das Nützliche ist doch das Gute Hervorbringende?
ΙΠ.  Ἔστι γάρ.
[Übersetzung]
Hippias: Das ist es.
ΣΩ.  Τὸ ποιοῦν δέ γ᾽ ἐστὶν οὐκ ἄλλο
τι ἢ τὸ αἴτιον· ἦ γάρ;
[Übersetzung]
Sokrates: Das Hervorbringende aber ist doch wohl nichts anders als die Ursache. Nicht wahr?
ΙΠ.  Οὕτως.
[Übersetzung]
Hippias: Richtig.
ΣΩ.  Τοῦ ἀγαθοῦ ἄρα
αἴτιόν ἐστιν τὸ καλόν.
[Übersetzung]
Sokrates: Die Ursache des Guten also ist das Schöne.
b
ΙΠ.  Ἔστι γάρ.
[Übersetzung]
Hippias: So ist es.
ΣΩ.  Ἀλλὰ μὴν τό γε αἴτιον, ὦ Ἱππία, καὶ οὗ ἂν αἴτιον
ᾖ τὸ αἴτιον, ἄλλο ἐστίν· οὐ γάρ που τό γε αἴτιον αἰτίου
αἴτιον ἂν εἴη. Ὧδε δὲ σκόπει· οὐ τὸ αἴτιον ποιοῦν ἐφάνη;
[Übersetzung]
Sokrates: Aber die Ursache, Hippias, und dasjenige wovon eine Ursache Ursache ist, sind zweierlei. Denn die Ursache ist doch wohl nicht der Ursache Ursache. Überlege es so. Zeigte sich die Ursache nicht offenbar als ein wirkendes?
ΙΠ.  Πάνυ γε.
[Übersetzung]
Hippias: Allerdings.
ΣΩ.  Οὐκοῦν ὑπὸ τοῦ ποιοῦντος ποιεῖται
οὐκ ἄλλο τι ἢ τὸ γιγνόμενον, ἀλλ᾽ οὐ τὸ ποιοῦν;
[Übersetzung]
Sokrates: Von dem Wirkenden wird aber doch offenbar das Werdende bewirkt, nicht aber das Wirkende?
ΙΠ.  Ἔστι ταῦτα.
[Übersetzung]
Hippias: So ist es.

c
ΣΩ.  Οὐκοῦν ἄλλο τι τὸ γιγνόμενον, ἄλλο
δὲ τὸ ποιοῦν;
[Übersetzung]
Sokrates: Also ein anderes ist das Werdende, ein anderes das Wirkende.
ΙΠ.  Ναί.
[Übersetzung]
Hippias: Ja.
ΣΩ.  Οὐκ ἄρα τό γ᾽ αἴτιον αἴτιον
αἰτίου ἐστίν, ἀλλὰ τοῦ γιγνομένου ὑφ᾽ ἑαυτοῦ.
[Übersetzung]
Sokrates: Also ist die Ursache nicht der Ursache Ursache, sondern des durch sie Werdenden.
ΙΠ.  Πάνυ
γε.
[Übersetzung]
Hippias: Freilich.
ΣΩ.  Εἰ ἄρα τὸ καλόν ἐστιν αἴτιον ἀγαθοῦ, γίγνοιτ᾽ ἂν
ὑπὸ τοῦ καλοῦ τὸ ἀγαθόν· καὶ διὰ ταῦτα, ὡς ἔοικε, σπου-
δάζομεν καὶ τὴν φρόνησιν καὶ τἆλλα πάντα τὰ καλά, ὅτι
τὸ ἔργον αὐτῶν καὶ τὸ ἔκγονον σπουδαστόν ἐστι, τὸ ἀγαθόν,
καὶ κινδυνεύει ἐξ ὧν εὑρίσκομεν ἐν πατρός τινος ἰδέᾳ εἶναι
τὸ καλὸν τοῦ ἀγαθοῦ.
[Übersetzung]
Sokrates: Wenn also das Schöne die Ursache des Guten ist, so entstände aus dem Schönen das Gute, und wir bemühen uns deshalb, wie es scheint, um Einsicht und um alles andere Schöne, weil desselben Werk und Erzeugnis, nämlich das Gute, der Mühe wert ist, und so mag am Ende, nach dem was wir gefunden haben, das Schöne gleichsam den Vater des Guten vorstellen.
ΙΠ.  Πάνυ μὲν οὖν· καλῶς γὰρ
λέγεις, ὦ Σώκρατες.
[Übersetzung]
Hippias: Allerdings sehr richtig, Sokrates.
ΣΩ.  Οὐκοῦν καὶ τόδε καλῶς λέγω, ὅτι οὔτε ὁ πατὴρ ὑός
ἐστιν, οὔτε ὁ ὑὸς πατήρ;
[Übersetzung]
Sokrates: So ist auch wohl das sehr richtig, dass der Vater nicht Sohn ist, noch auch der Sohn Vater?
ΙΠ.  Καλῶς μέντοι.
[Übersetzung]
Hippias: Richtig freilich.
ΣΩ.  Οὐδέ
γε τὸ αἴτιον γιγνόμενόν ἐστιν, οὐδὲ τὸ γιγνόμενον αὖ αἴτιον.
[Übersetzung]
Sokrates: Eben so wenig also ist auch die Ursache Bewirktes noch das Bewirkte die Ursache.
ΙΠ.  Ἀληθῆ λέγεις.
[Übersetzung]
Hippias: Wahr gesprochen.
ΣΩ.  Μὰ Δία, ὦ ἄριστε, οὐδὲ ἄρα
τὸ καλὸν ἀγαθόν ἐστιν, οὐδὲ τὸ ἀγαθὸν καλόν· ἢ δοκεῖ σοι
οἷόν τε εἶναι ἐκ τῶν προειρημένων;
[Übersetzung]
Sokrates: Beim Zeus, bester Hippias, so ist also auch das Schöne nicht gut, noch das Gute schön. Oder dünkt es dich möglich zufolge des Gesagten?
ΙΠ.  Οὐ μὰ τὸν Δία,
οὔ μοι φαίνεται.
[Übersetzung]
Hippias: Nein, beim Zeus, mir scheint es nicht.
ΣΩ.  Ἀρέσκει οὖν ἡμῖν καὶ ἐθέλοιμεν ἂν λέγειν ὡς τὸ
καλὸν οὐκ ἀγαθὸν οὐδὲ τὸ ἀγαθὸν καλόν;
[Übersetzung]
Sokrates: Kann uns nun wohl das gefallen, und möchten wir es behaupten, dass das Schöne nicht gut ist noch auch das Gute schön?
ΙΠ.  Οὐ μὰ τὸν Δία, οὐ πάνυ μοι ἀρέσκει.
[Übersetzung]
Hippias: Nein, beim Zeus, mir gefällt es gar nicht.
ΣΩ.  Ναὶ μὰ τὸν Δία, ὦ Ἱππία· ἐμοὶ δέ γε πάντων
ἥκιστα ἀρέσκει ὧν εἰρήκαμεν λόγων.
[Übersetzung]
Sokrates: Wahrlich, beim Zeus, Hippias, mir gefällt es am wenigsten unter allem was wir gesagt haben.
ΙΠ.  Ἔοικε γὰρ οὕτως.
[Übersetzung]
Hippias: So scheint es freilich.
ΣΩ.  Κινδυνεύει ἄρα ἡμῖν, οὐχ ὥσπερ ἄρτι ἐφαίνετο κάλ-
λιστος εἶναι τῶν λόγων τὸ ὠφέλιμον καὶ τὸ χρήσιμόν τε
καὶ τὸ δυνατὸν ἀγαθόν τι ποιεῖν καλὸν εἶναι, οὐχ οὕτως
ἔχειν, ἀλλ᾽, εἰ οἷόν τέ ἐστιν, ἐκείνων εἶναι γελοιότερος τῶν
πρώτων, ἐν οἷς τήν τε παρθένον ᾠόμεθα εἶναι τὸ καλὸν καὶ
ἓν ἕκαστον τῶν ἔμπροσθεν λεχθέντων.
[Übersetzung]
Sokrates: Also mag wohl keineswegs, wie uns eben dies die schönste Erklärung schien, dass das Nützliche und das, um etwas Gutes zu bewirken, Brauchbare und Vermögende das Schöne sein. Keineswegs mag es sich so verhalten, sondern diese noch lächerlicher sein wo möglich als die vorigen, da wir glaubten ein Mädchen wäre das Schöne und was wir vorher nacheinander gesagt haben.
ΙΠ.  Ἔοικεν.
[Übersetzung]
Hippias: So scheint es.
ΣΩ.  Καὶ ἐγὼ μέν γε οὐκ ἔτι ἔχω, ὦ Ἱππία, ὅποι τρά-
πωμαι, ἀλλ᾽ ἀπορῶ· σὺ δὲ ἔχεις τι λέγειν;
[Übersetzung]
Sokrates: Und ich meines Teils weiß nicht mehr, Hippias, wohin ich mich wenden soll, sondern bin rat-los. Hast du aber etwas zu sagen?
ΙΠ.  Οὐκ ἔν γε τῷ παρόντι, ἀλλ᾽, ὥσπερ ἄρτι ἔλεγον,
σκεψάμενος εὖ οἶδ᾽ ὅτι εὑρήσω.
[Übersetzung]
Hippias: Jetzt im Augenblick wohl nicht, aber wie ich eben sagte, wenn ich darüber nachdenke, weiß ich wohl, dass ich es finden werde.