Platon „Hippias maior“ 06.05.20

Platon, Hippias I

„Was ist das Schöne?“

4. τὸ πρέπον (293d6–295a6)

293
Text nach Burnet
Kommentar / Übersetzung nach Schleiermacher
d 6
ΣΩ.  Ἐγώ σοι φράσω. „Ὦ δαιμόνιε“, φησί, „Σώ-
κρατες, τὰ μὲν τοιαῦτα ἀποκρινόμενος καὶ οὕτω παῦσαι –
λίαν γὰρ εὐήθη τε καὶ εὐεξέλεγκτά ἐστιν – ἀλλὰ τὸ τοιόνδε
σκόπει εἴ σοι δοκεῖ καλὸν εἶναι, οὗ καὶ νυνδὴ ἐπελαβόμεθα
ἐν τῇ ἀποκρίσει, ἡνίκ᾽ ἔφαμεν τὸν χρυσὸν οἷς μὲν πρέπει
καλὸν εἶναι, οἷς δὲ μή, οὔ, καὶ τἆλλα πάντα οἷς ἂν τοῦτο
προσῇ· αὐτὸ δὴ τοῦτο τὸ πρέπον καὶ τὴν φύσιν αὐτοῦ τοῦ
πρέποντος σκόπει εἰ τοῦτο τυγχάνει ὂν τὸ καλόν.“ Ἐγὼ μὲν
οὖν εἴωθα συμφάναι τὰ τοιαῦτα ἑκάστοτε – οὐ γὰρ ἔχω ὅτι
λέγω – σοὶ δ᾽ οὖν δοκεῖ τὸ πρέπον καλὸν εἶναι;
[Übersetzung]
Sokrates: Das will ich dir erzählen. „Du wunderlicher Sokrates", spricht er dann, „dergleichen und auf diese Weise zu antworten höre nur auf, denn das ist gar zu einfältig und gar zu leicht zu widerlegen. Sondern so etwas überlege dir, ob du etwa meinst, schön sei das, worauf wir auch gestoßen sind bei unseren Antworten, als wir nämlich sagten, das Gold sei da schön wo es sich hin schicke, wohin aber nicht, da nicht, und so auch alles andere, dem dieses zukomme. Eben dieses also betrachte dir, das Schickliche, und das Wesen des Schicklichen, ob etwa dieses das Schöne ist." Ich nun pflege ihm dergleichen immer beizustimmen, denn ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll. Du aber, meinst du das Schickliche sei schön?
ΙΠ.  Πάντως δήπου, ὦ Σώκρατες.
[Übersetzung]
Hippias: Auf alle Weise, Sokrates.
ΣΩ.  Σκοπώμεθα, μή πῃ ἄρ᾽ ἐξαπατώμεθα.
[Übersetzung]
Sokrates: So lass uns zusehen, dass wir nicht auch wieder damit betrogen werden.
10
ΙΠ.  Ἀλλὰ χρὴ σκοπεῖν.
[Übersetzung]
Hippias: Das müssen wir freilich zusehen.

294
ΣΩ.  Ὅρα τοίνυν· τὸ πρέπον ἆρα τοῦτο λέγομεν, ὃ παρα-
γενόμενον ποιεῖ ἕκαστα φαίνεσθαι καλὰ τούτων οἷς ἂν παρῇ,
ἢ ὃ εἶναι ποιεῖ, ἢ οὐδέτερα τούτων;
[Übersetzung]
Sokrates: Sieh also zu. Sollen wir nun von dem Schicklichen sagen, es sei das, was alles und jedes, bei dem es sich findet, schön scheinen macht, oder auch schön sein, oder keines von beiden?


5
ΙΠ.  Ἔμοιγε δοκεῖ [πότερα] ὃ ποιεῖ φαίνεσθαι καλά·
ὥσπερ γε ἐπειδὰν ἱμάτιά τις λάβῃ ἢ ὑποδήματα ἁρμόττοντα,
κἂν ᾖ γελοῖος, καλλίων φαίνεται.
[Übersetzung]
Hippias: Mir scheint jedenfalls das, was schön scheinen macht. Wie zum Beispiel, wenn einer schickliche Kleider und Schuhe antäte, dann würde er, wenn er auch eine Fratze ist, doch schöner erscheinen.



b



5



c
ΣΩ.  οὐκοῦν εἴπερ καλλίω ποιεῖ φαίνεσθαι ἢ ἔστι τὸ
πρέπον, ἀπάτη τις ἂν εἴη περὶ τὸ καλὸν τὸ πρέπον, καὶ οὐκ
ἂν εἴη τοῦτο ὃ ἡμεῖς ζητοῦμεν, ὦ Ἱππία; ἡμεῖς μὲν γάρ που
ἐκεῖνο ἐζητοῦμεν, ᾧ πάντα τὰ καλὰ πράγματα καλά ἐστιν –
ὥσπερ ᾧ πάντα τὰ μεγάλα ἐστὶ μεγάλα, τῷ ὑπερέχοντι·
τούτῳ γὰρ πάντα μεγάλα ἐστί, καὶ ἐὰν μὴ φαίνηται, ὑπερέχῃ
δέ, ἀνάγκη αὐτοῖς μεγάλοις εἶναι – οὕτω δή, φαμέν, καὶ τὸ
καλόν, ᾧ καλὰ πάντα ἐστίν, ἄντ᾽ οὖν φαίνηται ἄντε μή, τί
ἂν εἴη; τὸ μὲν γὰρ πρέπον οὐκ ἂν εἴη· καλλίω γὰρ ποιεῖ
φαίνεσθαι ἢ ἔστιν, ὡς ὁ σὸς λόγος, οἷα δ᾽ ἔστιν οὐκ ἐᾷ
φαίνεσθαι. τὸ δὲ ποιοῦν εἶναι καλά, ὅπερ νυνδὴ εἶπον,
ἐάντε φαίνηται ἐάντε μή, πειρατέον λέγειν τί ἐστι· τοῦτο
γὰρ ζητοῦμεν, εἴπερ τὸ καλὸν ζητοῦμεν.
[Übersetzung]
Sokrates: Und nicht wahr, wenn das Schickliche etwas schöner scheinen macht als es ist, so wäre das Schickliche eine Täuschung in Bezug auf das Schöne, und nicht das was wir suchen, Hippias? Denn wir suchen ja wohl jenes, wodurch alle schönen Sachen schön sind, so wie alle große Dinge groß sind durch Überragung. Denn dadurch ist alles groß, auch wenn es nicht so erscheint, ragt aber über anderes, so ist es notwendig groß. Dasselbe wollen wir nun auch von dem Schönen sagen, wodurch alles schön ist, es mag nun so erscheinen oder nicht, was das wohl sein mag. Denn das Schickliche kann es nicht sein, da ja dies nach deiner Rede etwas schöner erscheinen macht als es ist, und es nicht so, wie es ist, auch erscheinen lässt. Sondern das, was schön sein macht, wie ich eben sagte, mag etwas nun so erscheinen oder nicht, das wollen wir versuchen zu beschreiben was es wohl ist. Denn dies suchen wir, wenn wir das Schöne suchen.
ΙΠ.  Ἀλλὰ τὸ πρέπον, ὦ Σώκρατες, καὶ εἶναι καὶ φαί-
νεσθαι ποιεῖ καλὰ παρόν.
[Übersetzung]
Hippias: Aber das Schickliche, Sokrates, macht wo es ist, sowohl schön sein, als schön scheinen.
5
ΣΩ.  Ἀδύνατον ἄρα τῷ ὄντι καλὰ ὄντα μὴ φαίνεσθαι
καλὰ εἶναι, παρόντος γε τοῦ ποιοῦντος φαίνεσθαι;
[Übersetzung]
Sokrates: Also wäre es unmöglich, dass etwas, was in der Tat schön ist, nicht auch schön zu sein scheine, wenn es doch das scheinen Machende an sich hat?
ΙΠ.  Ἀδύνατον.
[Übersetzung]
Hippias: Ja.


d
ΣΩ.  Ὁμολογήσομεν οὖν τοῦτο, ὦ Ἱππία, πάντα τὰ τῷ
ὄντι καλὰ καὶ νόμιμα καὶ ἐπιτηδεύματα καὶ δοξάζεσθαι καλὰ
εἶναι καὶ φαίνεσθαι ἀεὶ πᾶσιν, ἢ πᾶν τοὐναντίον ἀγνοεῖσθαι
καὶ πάντων μάλιστα ἔριν καὶ μάχην περὶ αὐτῶν εἶναι καὶ
ἰδίᾳ ἑκάστοις καὶ δημοσίᾳ ταῖς πόλεσιν;
[Übersetzung]
Sokrates: Wollen wir das also zugeben, Hippias, dass alle in Wahrheit schönen Einrichtungen und Handlungsweisen auch immer von allen dafür gehalten werden und so erscheinen? Oder vielmehr ganz im Gegenteil, dass sie verkannt werden, und dass mehr als über irgendetwas über sie Streit und Zank ist, sowohl zwischen den Einzelnen als auch öffentlich zwischen den Staaten?
ΙΠ.  Οὕτω μᾶλλον, ὦ Σώκρατες· ἀγνοεῖσθαι.
[Übersetzung]
Hippias: Das letztere vielmehr, Sokrates, dass sie verkannt werden.
5




e



5
ΣΩ.  Οὐκ ἄν, εἴ γέ που τὸ φαίνεσθαι αὐτοῖς προσῆν·
προσῆν δ᾽ ἄν, εἴπερ τὸ πρέπον καλὸν ἦν καὶ μὴ μόνον καλὰ
ἐποίει εἶναι ἀλλὰ καὶ φαίνεσθαι. Ὥστε τὸ πρέπον, εἰ μὲν
τὸ καλὰ ποιοῦν ἐστιν εἶναι, τὸ μὲν καλὸν ἂν εἴη, ὃ ἡμεῖς
ζητοῦμεν, οὐ μέντοι τό γε ποιοῦν φαίνεσθαι· εἰ δ᾽ αὖ τὸ
φαίνεσθαι ποιοῦν ἐστιν τὸ πρέπον, οὐκ ἂν εἴη τὸ καλόν, ὃ
ἡμεῖς ζητοῦμεν. Εἶναι γὰρ ἐκεῖνό γε ποιεῖ, φαίνεσθαι δὲ καὶ
[ποιεῖν] εἶναι οὐ μόνον καλὰ οὐκ ἄν ποτε δύναιτο τὸ αὐτό, ἀλλ᾽
οὐδὲ ἄλλο ὁτιοῦν. Ἑλώμεθα δὴ πότερα δοκεῖ τὸ πρέπον εἶναι
τὸ φαίνεσθαι καλὰ ποιοῦν, ἢ τὸ εἶναι.
[Übersetzung]
Sokrates: Das könnten sie aber nicht, wenn sie auch das Scheinen an sich hätten, und das hätten sie, wenn das Schickliche das Schöne wäre, und nicht nur schön sein machte sondern auch scheinen. So dass das Schickliche, wenn es das schön sein Machende ist, allerdings das Schöne sein wird was wir suchen, dann jedoch nicht zugleich auch das schön scheinen Machende, wenn aber wiederum das Schickliche das schön scheinen Machende ist, so wird es nicht das Schöne sein welches wir suchen, denn das soll schön sein machen. Beides aber, das Scheinen und das Sein zugleich kann weder, wenn vom Schönen die Rede ist, eines und das selbige bewirken, noch auch wenn von irgendetwas anderem. So lass uns demnach wählen, welches von beiden das Schickliche uns zu sein dünkt, das schön scheinen oder das schön sein Machende?
ΙΠ.  Τὸ φαίνεσθαι, ἔμοιγε δοκεῖ, ὦ Σώκρατες.
[Übersetzung]
Hippias: Das scheinen Machende, wie mich dünkt, Sokrates.
ΣΩ.  Βαβαῖ, οἴχεται ἄρ᾽ ἡμᾶς διαπεφευγός, ὦ Ἱππία, τὸ
καλὸν γνῶναι ὅτι ποτέ ἐστιν, ἐπειδή γε τὸ πρέπον ἄλλο τι
ἐφάνη ὂν ἢ καλόν.
[Übersetzung]
Sokrates: O weh! So ist es uns ja schon wieder entgangen, Hippias, zu erfahren, was das Schöne ist, nun sich ja gezeigt hat, dass das Schickliche etwas anderes ist als das Schöne.
10
ΙΠ.  Ναὶ μὰ Δία, ὦ Σώκρατες, καὶ μάλα ἔμοιγε ἀτόπως.
[Übersetzung]
Hippias: Ja beim Zeus, Sokrates, und das zu meinem großen Erstaunen.
295
ΣΩ.  Ἀλλὰ μέντοι, ὦ ἑταῖρε, μήπω γε ἀνῶμεν αὐτό· ἔτι
γάρ τινα ἐλπίδα ἔχω ἐκφανήσεσθαι τί ποτ᾽ ἐστὶν τὸ καλόν.
[Übersetzung]
Sokrates: Dennoch wollen wir es noch nicht fahren lassen, Freund. Denn ich habe einige Hoffnung, dass doch noch zum Vorschein kommen wird was das Schöne denn ist.


5
ΙΠ.  Πάντως δήπου, ὦ Σώκρατες· οὐδὲ γὰρ χαλεπόν ἐστιν
εὑρεῖν. Ἐγὼ μὲν οὖν εὖ οἶδ᾽ ὅτι, εἰ ὀλίγον χρόνον εἰς ἐρημίαν
ἐλθὼν σκεψαίμην πρὸς ἐμαυτόν, ἀκριβέστερον ἂν αὐτό σοι
εἴποιμι τῆς ἁπάσης ἀκριβείας.
[Übersetzung]
Hippias: Ganz gewiss, Sokrates! Es ist ja auch gar nicht schwer zu finden. Denn das weiß ich sicher, wenn ich nur auf kurze Zeit allein für mich sein und es bei mir selbst überlegen könnte, so wollte ich es dir ganz genau sagen.