Platon, Politeia, Buch VI Das Höhlengleichnis – Gedankengang 12.05.15

Platon, Politeia Buch VI

514 a1–517 e3: Das Höhlengleichnis

Höhle Realität
Menschen sind in einer Höhle angekettet von Kindheit an. Sie müssen starr geradeaus blicken, können ihren Kopf nicht drehen. Sie sehen nur die durch ein Feuer geworfenen Schatten von Gegenständen, die hinteren ihnen entlanggetragen werden, wobei die Träger teilweise rden oder auch nicht. Die Seele des Menschen ist im Körper wie in einem Gefängnis angekettet. Sie kann immer nur das sehen, was der Körper ihr zu sehen erlaubt.
Die Menschen würden die Schatten, die sie sehen, für das Seiende halten und die Stimmen, die sie hören, den Schatten zuordnen. Die menschliche Seele hält das, was sie durch die Sinne wahrnimmmt im täglichen Leben, für wahr und die Realität.
Wenn einer von den Fesseln gelöst würde und gezwungen würde, den Kopf zu drehen und zum Licht (des Feuers) zu sehen, dann würde er Schmerz empfinden und könnte die Dinge, deren Schatten er bisher immer nur betrachtete, nicht ansehen, weil seine Augen vom Glanz geblendet wären. Dieser Zuwendung zum Feuer in der Höhle dürfte bei der Seele die Zuwendung zur irdischen Sonne entsprechen.
Wenn der Befreite von den Fesseln nun von seinem Befreier zum Höhlenausgang hochgezogen würde, würde er wiederum geblendet sein und nichts sehen. Deshalb müsste er zuerst die Abbilder der Dinge anschauen, dann die Dinge selbst, schließlich den Himmel bei Nacht. Die Seele wird von ihrem Führer aus der Begrenztheit der materiellen Welt hinausgeführt in die Welt der Ideen. Diese ist so glänzend, dass die Seele sich erst daran gewöhnen muss.
Der Mensch würde außerhalb der Höhle vieles erkennen und sehen, was — innerhalb der Welt — wirklich der Fall ist. Die Seele lernt im Ideenhimmel die wahre Realität kennen.
Dort an der Oberfläche bedauert er die Genossen in der Höhle und wird alles lieber in Kauf nehmen als dorthin wieder zurückkehren zu wollen. Entsprechend wird es der Seele gehen im Ideenhimmel, der ja ihre eigentliche Heinmat ist. Sie wird versuchen, sich immer oben aufzuhalten.
Der Abstieg wieder in die Höhle offenbart zweierlei: Der Mensch erkennt erst wieder nichts, weil die Augen voller Licht sind und in der Dunkelheit nichts sehen können. So, wie die Augen sich beim Aufstieg erst an das Licht gewöhnen mussten, so müssen sie sich jetzt wieder an die Dunkelheit gewöhnen. Zweitens werden die anderen sich bestätigt fühlen und sagen, dass es keinen Sinn hat hinaufzusteigen, weil man dann mit verdorbenen Augen zurückkommt. Dies begegnet analog auch der Seele: Wer sich mit den Ideen beschäftigt hat, kann nicht mehr zufrieden sein, wenn er sich mit den Nichtigkeiten des Alltags im normalen Leben beschäftigt.
Wer von der Oberwelt wieder hinuntersteigt und einen Genossen zu befreien versucht, wird, wenn es möglich ist, getötet werden. Der Prophet der Wahrheit, also Sokrates, wurde von den „Höhlenbewohnern“ getötet.