Solon und Kroisos

(Herodot, Historien 1,28–33)

Solon und Kroisos unterhalten sich darüber, wer von den Menschen der Glücklichste ist. Weil Kroisos sich selbst für den glcklichsten Menschen hält, denkt er, Solon würde das auch sagen. Daher empfängt er ihn in Sardes sehr freundlich und lässt ihn von Dienern in seiner Schatzkammer herumführen. Dann kommt er selbst zu ihm und fragt ihn, wen Solon, der ja weit herumgekommen sei in der Welt, als den glücklichsten Menschen befunden habe.

Solons Antworten fallen ganz anders aus, als Kroisos sich das erhofft hatte.

Einfache Bedürfnishierarchie nach Maslow
sog. „Maslowsche Bedürfnispyramide“

Erste Antwort: Tellos aus Athen

Für diese Wahl gibt Solon mehrere Gründe; denn Tellos

Diese Antwort über die Bedürfnisse von Tellos und die Bedingungen seines Glücks in Solonschem Sinn kann man mit der „Maslowschen Bedürfnispyramide“ vergleichen. Letztere bringt grundsätzliche menschliche Bedürfnisse und Motivationen in eine Struktur, in der, wie bei einer Pyramide, von unten nach oben aufgebaut wird. Seine Theorie impliziert also, dass die nächsthöhere Stufe jeweils nur erklommen werden kann, wenn die darunterlegende gesichert ist.

Zweite Antwort: Kleobis und Biton

Auch für diese Wahl gibt Solon mehrere Gründe; denn das Zwellingspaar hat einen Gottesdienst gerettet, damit große Ehre auf sich selbst gehäuft, weil sie eine unvorstellbare Kraftleistung erbracht haben, großes Ansehen aber auch ihrer Mutter verschafft haben, weil sie so tolle Söhne geboren hat. Kydippe, die Mutter uns Herapriesterin, betete im Tempel, dass ihren Söhnen das Beste zuteil werden möge, und die Göttin gewährte es. Die Söhne legten sich nach dem Mahl in den Tempel zum Schlafen und wachten nie mehr auf.

Solons Glücksdefinition

Solon lässt sich von Kroisos’ Reichtum nicht blenden. Er sieht ganz klar, dass das biologische Leben immer Notzeiten kennt, dass kein Leben von Anfang bis Ende autark (οὐδὲν αὔταρκες ἐστί) ist. Deshalb will er niemanden vor seinem Tod glücklich (ὄλβιος) preisen, allenfalls beglückt (εὐτυχής), also durchsetzt mit Glückmomenten, die dem Zufall unterworfen sind.

So lautet seine „Definition“ des Glücks:

πρὶν δ᾽ ἂν τελευτήσῃ, ἐπισχεῖν, μηδὲ καλέειν κω ὄλβιον, ἀλλ᾽ εὐτυχέα.
Bevor er aber gestorben ist, muss man abwarten und darf ihn noch nicht glücklich nennen, sondern beglückt.

und

σκοπέειν δὲ χρὴ παντὸς χρήματος τὴν τελευτήν, κῇ ἀποβήσεται.
Man muss bei allem auf das Ende sehen, wie es ausgeht.