Europa und der Stier

Zeus erblickte Europa, eine phönikische Königstochter, und verliebte sich sofort in sie. Deshalb verwandelte er sich in einen weißen, sehr schönen Stier und entführte Europa nach Kreta. Dort zeugte er mit ihr Minos, den sagenhaften Gründer der minoischen Kultur (ca. 3000–1500 v. Chr.). ⟶ Sachthema „Kreta“ (zu Kap. 7–9)

Europa war die Tochter des phönizischen Königs Agenor und seiner Frau Telephassa. Als Zeus sie zufällig sah, verliebte er sich sofort in sie. Um aber seine stets eifersüchtige Gattin Hera zu täuschen, verwandelte er sich in einen sehr schönen, weißen Stier.

Europa vergnügte sich mit Freundinnen am Strand, als ihnen der prächtige Stier auffiel. Sie waren fasziniert davon, dass er so friedlich und zutraulich war. Die Mädchen legten ihre Scheu ab, und Europa setzte sich auf den Rücken des Stiers, der daraufhin ins Meer stieg, sich immer weiter vom Ufer entfernte und mit Europa auf dem Rücken davonschwamm.

Der Stier ging in Kreta an Land und verwandelte sich zurück in Zeus. Aus der Vereinigung von Zeus und Europa gingen drei Kinder hervor: Minos, Rhadamantys und Sarpedon. Europas Vater Agenor schickte seine Söhne aus, um Nachforschungen anzustellen. Diese konnten aber keine Spur von ihrer Schwester finden.

Dieser Mythos reflektiert das Bewusstsein davon, dass sich auf Kreta die Wiege der europäischen Kultur befindet.

Platon macht im berühmten Schlussmythos des Gorgias Minos und Rhadamantys zu Richtern in der Unterwelt.